
Der Krankenstand in Deutschland bleibt ein kritisches Thema, das nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber und politische Entscheidungsträger betrifft. In den letzten Jahren haben Unternehmen zunehmend ihre Bedenken über die hohe Anzahl an Krankheitstagen geäußert. Der Inspekteur von Mercedes, Ola Källenius, und Allianz-CEO Oliver Bäte haben in diesem Zusammenhang die Einführung eines Karenztages vorgeschlagen. Diese Idee zielt darauf ab, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu regulieren und Missbrauch zu verhindern. Bäte argumentiert, dass die Arbeitgeber von der derzeitigen Regelung stark belastet werden, während die Kosten für Entgeltfortzahlung 2023 insgesamt bei 76,7 Milliarden Euro lagen, wie LTO berichtet.
Im deutschen System der Entgeltfortzahlung ersetzt § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG) bis zu sechs Wochen das Gehalt eines Arbeitnehmers im Krankheitsfall. Diese Regelung gilt als arbeitnehmerfreundlich, bietet jedoch gleichzeitig Schlupflöcher, die potenziell ausgenutzt werden können. Laut Berichten der Techniker Krankenkasse lag die durchschnittliche Anzahl an Krankheitstagen pro Arbeitnehmer im Jahr 2023 bei 19,4 Tagen. Dies könnte teilweise auf eine verbesserte statistische Erfassung zurückzuführen sein. Das Thema einer möglichen Reform ist jedoch sensibel, und die politische Bereitschaft zur Änderung der bestehenden Regelungen ist bisher zurückhaltend. Erinnerung an die Reform von 1996, die die Entgeltfortzahlung auf 80% gesenkt hat, zeigt die Schwierigkeiten bei der Umsetzung nachhaltiger Änderungen.
Vergleich mit anderen europäischen Ländern
Ein Blick auf die Lohnfortzahlungsregelungen in anderen EU-Mitgliedstaaten zeigt erhebliche Unterschiede. In Frankreich beispielsweise erhalten Arbeitnehmer für die ersten 30 Tage ihrer Arbeitsunfähigkeit 90% des Bruttolohnes, gefolgt von zwei Dritteln danach. In Luxemburg hingegen gibt es für die ersten 77 Krankentage 100% des Gehalts, mit einer möglichen Verlängerung auf bis zu 78 Wochen. Diese variierenden Ansätze in Europa werfen die Frage auf, ob und inwieweit Deutschland seine Regelungen anpassen sollte, um den Bedürfnissen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gerecht zu werden.
- Spanien: Lohnfortzahlung ab dem vierten Krankheitstag.
- Irland: Gesetz seit 2022, das sukzessive auf zehn bezahlte Krankheitstage bis 2026 ansteigt.
- Vereinigtes Königreich: Ab dem vierten Krankheitstag 109,40 £ pro Woche für maximal 28 Wochen.
- Portugal: Krankengeld steigt bei längerer Krankheit bis zu 75 %.
- Schweden: Monatliche Unterstützung von 80 % des Gehalts für 364 Tage.
- Estland: Ab dem zweiten Krankheitstag 70 % des Referenzlohns für bis zu 240 Tage jährlich.
- Finnland: Krankengeld nach neun Krankheitstagen für bis zu 300 Arbeitstage.
Angesichts dieser Unterschiede könnte eine Debatte über die Einführung eines Karenztages in Deutschland eine neue Dimension annehmen. Die Bedenken, dass ein solcher Schritt die Gesundheit der Arbeitnehmer gefährden könnte, stehen jedoch im Raum. Der Vorschlag einer Teilzeitkrankschreibung könnte eine Option sein, um eine schrittweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess zu ermöglichen. Dies könnte dabei helfen, insbesondere bei Bagatellinfekten oder in der Endphase längerer Erkrankungen, um die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht zu gefährden.
Gesundheit der Arbeitnehmer im Fokus
Die Gesundheit der Arbeitnehmer bleibt oberste Priorität in diesem sensiblen Thema. Während einige Stimmen eine Reform der Lohnfortzahlung fordern, warnen andere vor den möglichen negativen Folgen für die Arbeitnehmer. Der OECD zufolge ist der Krankenstand in Deutschland jedoch nicht besorgniserregend, was eine differenzierte Betrachtung der Faktenlage erfordert. Die unterschiedliche Behandlung und die Diskussion um potentielle Reformen spiegeln die Komplexität des Themas wider und zeigen, dass die richtige Balance zwischen Arbeitnehmerschutz und wirtschaftlicher Belastung gefunden werden muss.